20 Jahre Europagymnasium in Thale

In Frankreich auf den Spuren des 1. Weltkriegs

Montag, 15.10.14
Bereits in der Frühe fuhren wir in das Dorf "La Harazée". Dort besuchten wir zuerst einen verhältnismäßig kleinen Soldatenfriedhof, was jedoch das Gefühl der Erschütterung nicht milderte. So etwas mit eigenen Augen zu sehen ist kein Vergleich mit dem, was Photographien oder Filme zeigen. Mit diesem ersten Eindruck begannen die Arbeiten im angrenzenden Wald, ebenda wo sich das Camp Guyard befindet. Hierbei handelt es sich um ein ehemaliges französisches Soldatenlager, welches den Zweck einer Ruhestätte und eines Vorratsdepots hatte. Wir wurden in verschiedene Arbeitsgruppen eingeteilt, von denen jede eine andere Aufgabe im Lager bekam. Es wurde beispielsweise begonnen, eine jahrelang von Erde verschüttete Treppe freizulegen, eine zweite zu säubern und eine Quelle, welche den Soldaten als Waschgelegenheit diente, von Gestrüpp zu befreien. Außerhalb des Lagers lernte eine Gruppe Holzgeflechte herzustellen, wie sie im Krieg zum Schutz verwendet wurden; eine andere Gruppe wurde wiederum in einem naheliegenden Stollen tätig. Bereits am ersten Tag wurden seit langer Zeit verborgene Drähte, Scharniere, diverse Metallteile, aber auch Scherben ausgegraben. Am Nachmittag waren wir alle sehr zufrieden mit unseren Ergebnissen, aber auch erschöpft von der Arbeit und vor Allem gespannt auf die nächsten Tage.

Dienstag, 16.10.14
Guten Morgen Welt, auch heute haben wir strahlenden Sonnenschein und tolles Wetter. Der Dienstag war zwar nicht so arbeitsreich wie der Montag, dafür aber umso interessanter. Wir besuchten das Dorf Vauquois, welches etwa 40km westlich von Verdun liegt. Im 1. Weltkrieg tobte hier der Minenkrieg zwischen Deutschland und Frankreich. Der ganze Hügel, auf dem das Dorf lag, war zermint. Kleine und auch große Krater übersäen das Land. Bereits am 24. September 1914 besetzten deutsche Truppen diesen Hügel und bauen ihn zu einer wahren Festung aus. Am 4. März 1915 gelingt es den Franzosen nach mehreren Gegenoffensiven, auf der Anhöhe Fuß zu fassen. Der Stellungskrieg beginnt. Die Soldaten legen kilometerlange Stollen und Stichtunnel an, um in das feindliche Grabensystem vorzudringen und mit tonnenweise Sprengstoff möglichst große Verluste anzurichten. Die Vauquois-Anhöhe verwandelt sich so in einen regelrechten Termitenbau mit mehreren übereinander liegenden unterirdischen Ebenen. Die Anhöhe Vauquois ist als intakter Schauplatz des 1. Weltkrieges ein geschütztes Kulturdenkmal. Während des Vortrages und der Führung wurde das mulmige Gefühl im Magen immer stärker, da einem umso mehr bewusst wurde, dass viel zu viele Menschen auf genau der Stelle starben, wo wir nun standen. Dieses Gefühl bestärkte sich immer mehr, als wir in die Überreste der 17km langen Stollen geführt wurden. Das Gefühl, als wir dort unten waren, war unbeschreiblich. Es war kalt und eng. Man fühlte sich bedrückt und eingeschlossen, schon fast gefangen. Es tat gut wieder richtig atmen zu können als wir wieder ans Tageslicht kamen. Abends waren wir dann alle froh, in unseren warmen Betten zu liegen und ruhig schlafen zu können. Es war ein sehr eindrucksvoller und aufregender Tag.

Mittwoch, 17.10.14
Guten Morgen Sonnenschein! Nachdem uns die liebliche Stimme von Nana Mouscouri am frühen Morgen aus den Betten getrieben hat, starteten wir erwartungsvoll in unseren arbeitsfreien Tag. Unser erster Programmpunkt: ein Schulbesuch des Lycee Professionnel de l'Argonne in Sainte-Menehould. Der Schuldirektor und Philippe, unser Sprachgenie, gaben sich große Mühe, uns einen tiefen Einblick in die Partnerschule zu ermöglichen. Hier am Lycee werden junge Erwachsene an das Berufsleben herangeführt und zum Verkäufer, Gärtner oder Mechatroniker ausgebildet.Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es direkt weiter. Nächster Halt: Verdun - Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen im ersten Weltkrieg. Dazu sollten wir bei einer Fahrt durch die Zitadelle mehr erfahren. Im Zuge der Schlacht von Verdun im Jahr 1916 übernahm die Zitadelle die Versorgung der Truppen und belieferte die Soldaten in den Forts unter anderem mit Brot und Wasser. Hier konnten damals bis zu 2000 Personen beherbergt und ernährt werden. Im ersten Weltkrieg spielte sie aber vor allem auch eine logistische Rolle. In den Schächten befinden sich neben Pulver- und Munitionslagern auch eine Telefon - und Telegrafenzentrale. Mit viel Aufwand und Liebe zum Detail wurde so der Museumsbesuch zum mitreißenden Kinofilm. Nach diesem erlebnisreichen Vormittag hatten wir nun die Möglichkeit am Ufer der Maas in Verdun die Sonne zu genießen. Dort luden zahlreiche Cafés mit typisch französischen Köstlichkeiten zu einer gemütlichen Pause ein. Gut gestärkt bot es sich nun an ausgiebig in den kleinen Boutiquen zu shoppen. Die Zeit verging wie im Flug und ehe wir uns versahen mussten wir auch schon wieder Abschied von der idyllischen Kleinstadt nehmen. Den Abend verbrachten wir wie üblich gemeinsam im Internat. Erleben um davon zu erzählen - auch dieser Tag im Projekt Argonner Wald wird uns definitiv in langer Erinnerung bleiben!

Donnerstag, 18.10.14
Der vorletzte Arbeitstag der Woche brach an und wir bewegten uns verschlafen und ruhigen Schrittes zum Frühstück. Nach dem Essen schlüpften wir schnell in unsere Arbeitskleidung und fuhren mit dem Bus zu unserer Arbeitsstelle im französischen Lager. Dort setzten wir die Arbeit an den jeweiligen Baustellen fort und waren hoch motiviert. Alle haben mit angepackt und es wurde eine Menge geschafft. Trotz des ernsten Hintergrundes wurde auch der Spaß nicht vergessen, und so verging die Zeit bis zum Mittagessen wie im Flug. Leicht entkräftet und hungrig steuerten wir dann das deutsche Lager an, um uns zu stärken. Das taten wir auch, nur danach spielte sich das Morgenszenario wieder ab: wir waren extrem müde. Alle hätten ein Mittagsschläfchen vertragen können, doch das stand nicht auf dem Plan. Stattdessen fuhren wir mit dem Bus nach Verdun, um uns die Schlachtfelder anzusehen (während der Fahrt fielen dann doch dem ein oder anderen mal die Augen zu). Doch sobald wir uns den Kriegsschauplätzen näherten, wurden alle wieder wach. Oben angekommen, erklärte uns Uwe die ganze Situation, er zeigte uns die Orte, wo vor 100 Jahren Deutsche und Franzosen ihre Stützpunkte hatten. Vor uns befand sich ein riesiges Denkmal für die Gefallenen, was gleichzeitig auch als Grabstätte diente. Wir betrachteten es genau und als Uwe uns erzählte, wo wir gerade standen, verschlug es vielen die Sprache. Wir befanden uns auf dem Boden, wo vor 100 Jahren jeden Tag mehr als 1200 Menschen, Deutsche sowie Franzosen, ihr Leben ließen. Ein Schauer lief über unsere Rücken? Danach besichtigten wir das riesige Denkmal und gingen auch die 205 Stufen hinauf auf den Turm. Als wir oben ankamen blieb allen der Atem stehen. Von hier aus konnte man den gigantischen Friedhof mit mehr als 16000 Kreuzen sehen. Es war überwältigend und alle starrten fassungslos auf die unzähligen Kreuze. Noch nie hatten wir so etwas gesehen. Im Anschluss besuchten wir noch das Fort de Douaumont, es war sozusagen ein riesiger Bunker zum Schutz vor den damaligen Angriffen. Wir liefen eine lange Strecke durch das Fort und besichtigten viele Räume. Gerade als wir an einer Stelle standen um etwas zu lesen und Uwe weiterhin zu lauschen, zuckte plötzlich ein ohrenbetäubender Knall durch die Gänge, sodass der Boden vibrierte. Alle fuhren vor Schreck zusammen und hatten panische Angst, doch Uwe beruhigte uns: es war lediglich eine Simulation einer Artillerie. Obwohl diese mehrere Gänge weit weg war, fühlte es sich sehr nah an und mehrere von uns konnten einer kleinen Herzattacke nicht entgehen. Es war Adrenalin pur und unsere Körper zitterten Minuten danach immer noch. Doch leider hatte auch diese Führung bald ein Ende und wir mussten zurück ins Internat. Es war sehr schade, denn gerade die Schlachtfelder waren hoch interessant. Nach dem Abendessen bildeten sich einzelne Grüppchen, welche kein großes Vorhaben mehr hatten, denn unsere Energie für den Tag war verbraucht. Wir gingen verhältnisweise recht früh ins Bett, um uns für den letzten Arbeitstag noch einmal richtig zu stärken.

Freitag, 19.10.14
Heute war es also soweit. Der letzte Tag im Argonner Wald hatte begonnen. Trotz dieser ernüchternden Erkenntnis, starteten wir alle mit großen Erwartungen in den Tag, denn es stand noch Einiges auf unserem Plan. Nach dem letzten ausgiebigen Frühstück in der Kantine unseres Internats fuhren wir sofort an unsere Arbeitsstätten, um die Ziele dieser Woche zu vollenden. Nachdem noch einmal alle mit vereinten Kräften zur Sache gingen, stellte jede Arbeitsgruppe vor, was sie in der Woche geleistet hatte. Ich war überrascht und stolz zu sehen, wie viel wir alle in diesen Tagen geschafft hatten. Danach fuhren wir in das ehemalige deutsche Camp Moreau und aßen Spaghetti Bolognese, die wir uns alle auch reichlich verdient hatten. Zum Schluss führte uns Philipp, einer unserer sympathischen französischen Betreuer, durch die Stollenanlagen des Camps. Im Anschluss&xnbsp; ging es per Bus auf einen deutschen und einen französischen Soldatenfriedhof, auf denen wir jeweils einen Kranz niederlegten und eine Trauerminute für die gefallenen Soldaten des 1. Weltkriegs und deren Angehörige einlegten. Es konnte keiner von uns verbergen, dass uns nach den Eindrücken der letzten Tage die Kranzniederlegung sehr nahe ging. Nach diesen ernsten Minuten, hieß es aber zurück ins Internat, um die Vorbereitungen für die Abschlussfeier der Studienfahrt zu erledigen. Wir erwarteten einige Gäste, sowohl unsere deutschen und französischen Betreuer, als auch die Gastfamilien der letzten Jahre, die wir herzlichst willkommen hießen. Weil wir uns natürlich nicht lumpen lassen wollten, stand am Abend ein großes und abwechslungsreiches Buffet zur Verfügung, welches sich vor allem durch typisch französische Spezialitäten auszeichnete. Obwohl wir etwas betrübt darüber waren, dass die Woche so schnell vorüber ging, feierten wir den letzten Abend dieser bewegenden Woche in einer fröhlichen Atmosphäre. Was ich persönlich besonders schön fand war, dass wir noch einmal die Möglichkeit nutzen konnten, unsere Projektleiter genauer, und vor allem privat kennen zu lernen. So wurden noch viele offene Fragen beantwortet. Als wir am nächsten Morgen unser Internat verließen, die Zimmer räumten, und uns Philipp zum letzten Mal verabschiedete, fiel es uns schwer in den Bus zu steigen. Gut gelaunt bald wieder zu Hause zu sein, aber etwas müde von der Abschlussfeier, schauten wir auf die sehr interessante und bewegende Woche zurück. Sie hatte uns alle viel Schweiß und Kraft gekostet, aber dafür auch eine Menge tiefer Eindrücke hinterlassen. Uns war anzumerken, wie uns die Arbeit als Gruppe immer mehr zusammengeschweißt hat und die gemeinsamen Erlebnisse auch in Zukunft etwas Bleibendes hinterlassen werden. Besonders klar geworden ist mir, dass Krieg niemals die Lösung für Konflikte ist!

Luisa Metzing, Julia Heinrich, Pia Wieland, Anna Nicolai, Erik Radler