20 Jahre Europagymnasium in Thale
  • 12.09.2020 - Quynh Nga und Paul TeubnerProjektfahrt Argonner Wald 2020

    Thale, 7. September – Zwanzig Schüler der 12. Klassen treffen sich mit drei Lehrern, um gemeinsam die elfstündige Busfahrt in das nur 17 Einwohner zählende nordfranzösische Dorf Vauquois anzutreten. Nach unserer Ankunft richteten wir uns zuerst in unseren Zimmern ein und entdeckten anschließend die zwei Pools und den Whirlpool in den Gärten unserer Unterkünfte. Nachdem diese von uns ausgiebig getestet worden waren, trafen wir uns auch schon zum Abendessen mit unseren französischsprachigen Gastgebern, die uns an den folgenden Abenden immer wieder mit ihren Kochkünsten begeisterten. Auf Anraten der begleitenden Lehrer gingen wir an diesem ersten Abend früh schlafen, um uns den Aufgaben des nächsten Tages mit voller Kraft stellen zu können.

    Der nächste Morgen begann mit einem gemeinsamen Frühstück in den Unterkünften und der anschließenden Fahrt ins “Camp de la Vallée Moreau” - ein ehemaliges Reservelager des deutschen Heeres im Ersten Weltkrieg. Hier hießen uns die Mitglieder des Deutschen Erinnerungskomitees Argonner Wald e.V (D.E.A), die uns in den folgenden Tagen bei unseren Entdeckungen professionell begleitet haben, willkommen und haben uns in drei Gruppen aufgeteilt. Während der größte Teil unserer Reisegruppe zur sogenannten “Feste Kronprinz” gefahren ist, verblieb eine kleine Gruppe im Camp Moreau und eine weitere Gruppe nahm sich des deutschen Schützengrabens der ersten Linie an, der unter dem Laub des letzten Herbstes kaum noch zu erkennen war. Die “Feste Kronprinz”, bei der es sich um ein Fort der deutschen Armee handelt, hat das D.E.A mithilfe historischer Pläne lokalisiert und mit ehemaligen Schülern freigelegt. Die Natur hat sich allerdings auch dieses Artefakt des Ersten Weltkrieges während des Winters und Herbstes teilweise zurückerobert - mit Unmengen an Schlamm. So fanden wir ein unterirdisches Tunnelsystem vor, von dem nur die obersten zwei Räume betreten werden konnten. Sofort machten wir uns an die Arbeit und brachten mithilfe eines umfunktionierten Förderbandes den sich zu vermehren scheinenden Schlamm an das Tageslicht, wo dieser fachmännisch gestapelt wurde. Zum Mittagessen grillte unser Busfahrer Norbert für uns, der uns neben einem sicheren Transport auch stets ein leckeres Mittagessen garantiert hat. Unser Arbeitseinsatz endete gegen 17.00 Uhr, obwohl wir - von der niemals enden wollenden Menge an Schlamm motiviert - wohl auch noch bis zum Sonnenuntergang gearbeitet hätten. Die Schützengraben-Gruppe hatte währenddessen das Glück, mit dem Vereinsmitglied Philippe das Niemandsland zwischen den Schützengräben mit einem Metalldetektor absuchen zu können. Wirklich interessant erscheinen ließen die rostigen Kriegsüberbleibsel jedoch erst die Ausführungen Philippes, der die Patronen und Granathülsen souverän auf den ersten Blick der jeweiligen Armee zuordnen konnte. Der tatsächlich arbeitsintensive Dienstag endete mit ausgedehnten Gesprächen im Whirlpool und dem leckeren Abendessen in den Unterkünften in Vauquois.

    Der Mittwoch sollte ebenfalls für Fortschritte an der Feste Kronprinz genutzt werden. Im Gegensatz zum Vortag machten wir uns aber vollzählig zum Zeugnis deutscher Unzerstörbarkeits-Architektur auf, um auch die umliegenden Schützengräben begehbar und vorzeigbar für Führungen des D.E.A zu gestalten. Während die Schüler an der Feste Kronprinz das inzwischen defekte Förderband durch Muskelkraft ersetzten, hat das französische Fernsehen Interviews mit einem Teil unserer Gruppe aufgenommen (siehe Link). Am Nachmittag führte uns Philippe, ein ehemaliger Deutschlehrer mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen, durch das Reservelager. Neben den Lebensbedingungen der Soldaten informierte er uns über das Schaffen der Ehemaligen unseres Gymnasiums. Nach dieser anschaulichen Führung fuhren wir zurück nach Vauquois, wo uns viel Freizeit am Abend erwartete.

    Am nächsten Morgen wurden die Gummistiefel ausnahmsweise mit Turnschuhen getauscht: Wir fahren nach Verdun. Nach einer Fahrt durch Wälder, die von Tausenden Granattrichtern gezeichnet sind, haben wir das Beinhaus von Douaumont besucht. Der Blick vom Turm des Beinhauses offenbarte das ehemalige Schlachtfeld, auf dem circa 600.000 Menschen ihr Leben ließen. Obwohl wir uns kaum vorstellen können, was junge Menschen, die nur wenig älter als wir waren, hier erleben mussten, stimmten uns diese Eindrücke sehr nachdenklich. Bevor wir uns auf den Weg in die Innenstadt von Verdun machten, hat uns Dieter, Vereinsmitglied des D.E.A, einen Eindruck von der Taktik der Kriegsführung des Ersten Weltkrieges anhand der Versorgungswege und Befestigungen um das Schlachtfeld vermittelt. Anschließend besichtigten wir auf eigene Faust die Stadt, wobei die Zeit auch Restaurantbesuche und das Erkunden des Stadtzentrums erlaubte, bis wir am späten Nachmittag die unterirdische Zitadelle von Verdun besuchten. Die Zitadelle ist ein großer unzerstörbarer Militärposten, in dem man heute bei einer Führung auf Schienen viel über den Alltag der hier stationierten Soldaten erfahren kann. Mit diesen Eindrücken endete unser Tag in Verdun.

    Den Freitag begannen wir mit einer Führung durch das Minensystem unter dem früheren Vauquois. Dieses hat, trotz seiner heute eher beschaulichen Größe, eine interessante Geschichte: Ursprünglich lag das Dorf auf dem Hügel neben dem heutigen Vauquois, wo es allerdings im Zuge des Krieges vollständig zerstört wurde. Im späteren Verlauf des Krieges wurde Vauquois ein Schauplatz des Minenkrieges. Die Pioniere der Heere versuchten Stollen unter die gegnerischen Stellungen zu treiben, um diese mit unvorstellbaren Mengen an Sprengstoff hochzujagen. Eine solche Sprengung mit 108 Tonnen Westfalit kostete 108 Menschenleben und zerstörte einen beachtlichen Teil des Hügels. Dies zeigt, dass Vauquois keinesfalls ein zufällig gewählter Ort für unsere Unterbringung ist. Am frühen Nachmittag erzielten wir anschließend noch Fortschritte in der Feste und in den umliegenden Schützengräben, bevor die Vereinsmitglieder uns feierlich im Camp Moreau verabschiedeten. Als letzter Programmpunkt erfolgte die Kranzniederlegung auf einem deutschen sowie auf einem französischen Militärfriedhof. Nach einem langen Abend klingelte am Samstagmorgen der Wecker schon sehr früh, damit wir um 6.00 Uhr unsere Rückfahrt nach Thale antreten konnten - um einiges reicher an Geschichtswissen und Erinnerungen an diese unvergessliche Woche.

    Link zum Interview: https://youtu.be/rWIRwIRwUME